Eduard Rosenthal

I.VI Kulturell engagierter Stadtbürger

Eduard Rosenthal ist zeitlebens vielseitig interessiert, immer gut informiert und sehr belesen. Kultur und Kunst sind seine Leidenschaft, die er nicht nur mit seiner Frau Clara teilt, sondern auch für die Stadtbevölkerung zugänglich macht.

An der Universität in Jena sind Rechtsgeschichte, Staats- und Verwaltungsrecht, Verfassungs- und Sozialrecht seine Spezialgebiete, doch sein geistiger Horizont ist weiter gespannt – ein Leben lang interessieren ihn Philosophie, Geschichte, Literatur und Kunst. Seine Frau, Clara Rosenthal, und er sind mit namhaften Künstlern, wie Stefan George, Harry Graf Kessler, Hugo von Hofmannsthal, Henry van de Velde und Ludwig von Hofmann bekannt. Auch gehören schon seit frühester Jugend Bücher und Bilder zum Leben Eduard Rosenthals. Noch wertvoller erscheinen sie ihm, wenn er sie mit anderen Menschen teilen kann. Mit gleich gesinnten Frauen und Männern gründet er daher 1896 den Lesehallen- und 1903 den Jenaer Kunstverein.

 

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Engagement für die Lesehalle

Gründung des Kunstvereins

Initiative für das Ernst-Abbe-Denkmal

Engagement für die Lesehalle

Als der Physiker und Begründer der Carl-Zeiss-Stiftung, Ernst Abbe, beschließt, die neu zu schaffende Lesehalle und Bücherei großzügig zu fördern, verfasst der sozial gesinnte Rosenthal das Statut für den 1896 gegründeten Lesehallen-Verein. Die Lesehalle wird am 1. November desselben Jahres im Haus des Kunsttischlers Carl Wiegand am Löbdergraben 15 eröffnet und am 20. September 1902 beziehen Lesehalle und Leihbücherei schließlich die modern ausgestatteten Räume im Volkshaus. Dreißig Jahre leitet Rosenthal ehrenamtlich die Lesehalle.

Zeitungssaal in der Lesehalle ©Stadtarchiv Jena

Blick in den Zeitungssaal der Lesehalle. An hintereinander aufgereihten Tischen sitzen mehrere Personen mit Zeitungen in der Hand.

Frauen und Männer, Arbeiter und Wissenschaftler, Lehrlinge und Studenten können hier Bücher, Zeitschriften und Zeitungen frei nach ihren Interessen auswählen. Im Statut des Lesehallenvereins ist festgeschrieben, dass bei der Anschaffung des Lesestoffs strikte Neutralität gegenüber allen politischen Parteien, wissenschaftlichen Auffassungen und religiösen Bekenntnissen gewahrt werden muss. Die Jenaer Lesehalle entwickelt sich so in den Jahren vor dem 1. Weltkrieg zu einem Ort, in dem Toleranz erlernt und sozialer Frieden praktiziert werden kann und gilt zu dieser Zeit als eine der modernsten Lesehallen in ganz Europa.

Siegfried Czapski an Arthur Heidenhain, 25.04.1897 Als Text lesen

Eduard Rosenthal an Ernst Haeckel, 22.10.1896 Als Text lesen

Ansprache zur Einweihung der Lesehalle von E. Rosenthal, 20.09.1902 Als Text lesen

Gründung des Kunstvereins

Auch Bilder, Graphiken und Plastiken sollen nach Rosenthals Ansicht nicht nur einem kleinen Kreis von Kennern vorbehalten bleiben. Um der Bevölkerung ein möglichst breites Spektrum an Kunst zugänglich zu machen, wird im Oberlichtsaal des 1903 eingeweihten Volkshauses ein Ausstellungsraum eingerichtet. Noch im gleichen Jahr gründen engagierte Bürger und Künstler den Jenaer Kunstverein, dessen Vorsitz Rosenthal in den kommenden fünf Jahren übernimmt. Namhafte Maler, Grafiker und Bildhauer wie Max Klinger, Ludwig von Hofmann, Erich Kuithan, Käthe Kollwitz, Emil Nolde oder Edvard Munch stellen in den Räumlichkeiten des Vereins aus. Inspirationen liefert der Kunsthistoriker Botho Graef, der die Arbeit des Jenaer Kunstvereins seit 1904 begleitet.

Unter dem Vorsitz Rosenthals und durch das Wirken Botho Graefs entwickelt der Jenaer Kunstverein ein eigenes Profil – Gemälde, Grafiken und Zeichnungen von Gegenwartskünstlern aus dem nahen Weimar, aus Dresden oder Berlin sowie aus Norwegen und der Schweiz sind in Jena zu sehen. Die Ausstellungen zeigen zunehmend auch Kunstwerke der Moderne und finden das Interesse breiter Kreise der Einwohnerschaft. Damit ist das Fundament für die bis 1933 reichende Entwicklung Jenas als ‚Kunststadt‘ gelegt.

Initiative für das Ernst-Abbe-Denkmal

Eduard Rosenthal gehört im Jahr 1905 zu den Initiatoren des Aufrufs für ein Denkmal, das Leben und Wirken Ernst Abbes als Wissenschaftler, Sozialreformer und soziale Gerechtigkeit lebender Mensch würdigen soll. Doch die vorgelegten Entwürfe werden schnell Anlass einer scharfen politischen und künstlerischen Diskussion. Schließlich errichtet Henry van de Velde von 1909 bis 1911 einen Erinnerungs-Pavillon aus Kalkstein, der auch heute noch den Platz vor dem Volkshaus schmückt. Rosenthal fühlt sich insbesondere den sozialpolitischen Ideen Abbes verbunden, die er nicht zuletzt im Jahr 1910 in seiner vielbeachteten Rede »Ernst Abbe und seine Auffassung von Staat und Recht« in der Aula der Universität würdigt. Ernst Abbe habe, so Rosenthal, Arbeiterrechte als Menschenrechte anerkannt und verwirklicht. Abbes Gedanke, dass der Unternehmer öffentliche Funktionen ausübe und ein Teil des Gewinns als Dank für die Förderung von Wissenschaft und Technik an die Universität und die Stadt Jena zurückfließen müsse, habe das Statut der Carl-Zeiss-Stiftung bestimmt. So habe die Stiftung die Universitäts- und Stadtkultur bereichert. Der volle Reinertrag der gedruckten Rede fließt dem Fond zur Errichtung des Denkmals zu. Am 30. Juli 1911 hält Eduard Rosenthal auch die Festansprache zur Einweihung des Ernst-Abbe-Denkmals. Es gilt auch heute noch als das bedeutendste Denkmal des frühen 20. Jahrhunderts im öffentlichen Raum der Stadt Jena.

Aus der Rede zur Einweihung des Ernst-Abbe-Denkmals, 31.07.1911 Als Text lesen